- Blindenpsychologie
- Blindenpsychologie,Teilgebiet der angewandten Psychologie, das sich in analytischer wie therapeutischer Form mit den erlebens- und verhaltensmäßigen Auswirkungen von Blindheit, Erblindung und hochgradiger Sehschwäche, den spezifischen Strukturen der Wahrnehmung und Orientierung und den sozialpsychologischen Aspekten in Gesellschaft und Beruf befasst.Ausfall oder Einschränkung des Sehens bewirken zwar keine organische Sensibilisierung anderer Sinne, wohl aber eine differenziertere Auswertung der Informationen aus anderen Sinnesbereichen (besonders Gehör, Tasten), sodass eine Raumwahrnehmung mithilfe von Gehör und Tastsinn möglich wird.Die infolge von Sehschädigungen eintretende Überbeanspruchung (u. a. des Gedächtnisses; ständige Konzentration) führt schnell zu Erschöpfung und die Unübersichtlichkeit der Gegebenheiten zu Schreckreaktionen. Erblindung hat bei Erwachsenen einen mehrere Wochen dauernden psychischen Schockzustand, Verzweiflung und Depression zur Folge.Die Blindenpsychologie untersucht auch den Einfluss der Behinderung auf das Verstehen des dinglichen und sozialen Umfelds. Der Ausfall des Sehens wirkt sich v. a. auf die Spracherlernung aus sowie auf das Erlernen von Ausdrucksbewegung (Mimik, Gestik) und ihre der Situation angepasste Anwendung. Von Bedeutung sind dabei Interesse und Motivation für den Umgang mit der Umwelt sowie bei spät Erblindeten die Vorerfahrung. Geburtsblinde und sehr früh Erblindete erzielen häufig eine bessere Kompensation durch Tasten und Hören. Überblick und Orientierung sind durch den Tastsinn und das Gehör jedoch nur unvollständig möglich. Die Bedeutung einzelner Merkmale und Gegenstände im Gesamtzusammenhang wird daher leicht falsch verstanden und führt manchmal zu existenzieller Verunsicherung.Für die soziale Integration sind neben dem Einfluss von Persönlichkeitsfaktoren die Wechselbeziehungen von Sehgeschädigtem und Umwelt ausschlaggebend. Viele Eigentümlichkeiten des Sehbehinderten (wie Körperhaltung, erkennbare Unsicherheiten) werden von der Umwelt leicht und meist fälschlich als Hinweise auf Wesenszüge des Betroffenen gedeutet.
Universal-Lexikon. 2012.